Thomas Stute, 45 Jahre

 

Ich geh zum Bielefelder Tisch, bin arbeitsuchend, habe jetzt ein Bewerbungsgespräch. Komme zur Bahnhofsmission um nach 'nem Kaffee zu fragen. Dort treffe ich nette Leute, die ich vom Bielefelder Tisch kenne. Ich habe zehn Geschwister, unsere Eltern sind tot. Ich bin Metallhelfer, war jahrelang bei Thyssen-Krupp in der Umformtechnik. Bin dort wegen Alkoholproblemen gekündigt worden. Die habe ich heute wieder im Griff. Bin noch auf Bewährung, aber nicht mehr lange, dann ist das vorbei.

Meine Texte:

 

Der Schwarzfahrer

 

"Schönen Guten Tag, die Fahrausweise bitte!" Und ich dreh mich um und hab keinen dabei. Bei der Polizei soll ich mich äußern, warum ich schwarz gefahren bin. Hat nur leider nichts gebracht. Ich musste trotzdem zum Gericht, hab 'ne Vorladung gekriegt. Insgesamt wurde ich acht mal verdonnert. Ich drück's mal beim Namen aus: Ich bin 25 Jahre lang schwarz gefahren und das war die Rechnung dafür. Ich hab 3000 Stunden in Bethel arbeiten müssen, rund 15.000 Euro hab ich dagelassen. Ich habe draus gelernt. Gehe heute zur Ankleide hin und bekomme ein Sozialticket für 19,80 Euro. Ich finde es toll, dass es so was gibt. Muss den Bielefeldpass mitbringen und meinen Personalausweis. Aber trotz allem, es ist billig, durch Bielefeld fahren zu können. Und ich habe von der Sache was gelernt.

In Bethel habe ich auch nette Leute kennengelernt, hab mich da fast zuhause gefühlt. Bin morgens immer wieder gerne hingegangen, auch mal ne Stunde früher. Haus Emmaus ist schön, Haus Jabbok ist schön. Habe Unkraut gejätet, Laub weggefegt, Haus- und Hoftechnik gemacht, mal ein Bett umgestellt und mit der Sackkarre Schränke umgestellt in ein Schwimmbad, in dem kein Wasser mehr war. Die Leute waren offen, ehrlich. Der Druck nüchtern sein zu müssen, nicht schwarz zu fahren - das war für mich 'ne Herausforderung. Und dann ertappe ich mich doch wieder dabei, wie ich in der Straßenbahn sitze und schwarzfahre. Habe wieder 1000 Stunden gekriegt. Der absolute Hammer-Hype. Danach ging ich zum neuen Bewährungshelfer, hab 'nen Arbeitsplatz gekriegt in der Großküche eines Altersheims. Musste ein Gesundheitszeugnis vorlegen. In der Küche zu arbeiten ist schön, unter Anweisung zu arbeiten - besser als draußen Unkraut jäten. Ich hätte dort in zehn Wochen 700 Stunden ableisten können, ich wäre in 3 Monaten fertig gewesen, wenn ich dorthin gekommen wäre. Da kommen nur die ganz Gesunden hin. Kein Hepatitis, kein Aids, keine Heroinsucht, keine Alkoholsucht. Komplett nüchtern. Dort nüchtern zu sein sah besser aus, als bekifft oder besoffen zu sein. Das war für mich die Herausforderung schlechthin. Alle anderen waren auf Methadon, auf Alkohol, einfach körperlich kaputt, wie der einarmige Bandit oder der dicke Michael.

Ich will wieder malochen, ich will arbeiten gehen, wieder in einem Schichtdienst sein, meine 70 Stunden die Woche machen, wieder richtig Geld verdienen. Ich würde dann wieder ein Weiterkommen sehen, aus dem Schuldenberg rauskommen, könnte die Jahresendabrechnung der Stadtwerke bezahlen, die demnächst auf mich zukommt.

Übrigens: In einem idealen Bielefeld wären Bus und Straßenbahn umsonst.