Benjamin Haak, 26 Jahre

 

Ich bin 1988 geboren. Ich war ein Frühchen und bin fast von Geburt an blind. Meine Hobbys sind Lesen, klassische Musik hören und Sport machen. Mein Glaube ist mir wichtig.

Meine Texte:

 

Ja, wie erlebe ich Bielefeld?

 

Ich erlebe Bielefeld als sehr laut durch den Ostwestfalendamm, den Ossi - so ist es für die Bielefelder klarer. Ich erlebe es als sehr hektisch durch die Straßenbahn. Gehen sie mal  zum Rathaus und stellen sie sich dort hin mit geschlossenen Augen, dann erleben sie, wie hektisch das ist: Die vielen Bahnen, die vielen Leute, die da stehen. Aber die Straßenbahn hier ist bequem, durch die Stoffsitze, in Hannover gab's immer nur die Hartschalen.

Und dann erlebe ich Bielefeld aber auch als sehr ruhig durch den Teutoburger Wald, wo ich mit meinem Blindenführhund Norris gerne und lange spazieren gehe. Der Wald vor meinem geistigen Auge ist nichts. Ich sehe ihn ja nicht. Ich erlebe ihn als bergig, hügelig.

Und ich erlebe Bielefeld als freundlich. Das hab ich sofort festgestellt als ich vor einigen Jahren hierher gezogen bin, wie freundlich Bielefeld ist. Zum Beispiel dann, wenn ich die Menschen im Supermarkt oder bei Behörden frage, ob sie mir helfen können.

Und die Leitlinien an den öffentlichen Gebäuden sind hier sehr gut, am Rathaus, am Jahnplatztunnel. Sehr schön finde ich das Bielefelder Theater mit Erklärungen für Blinde. Auch bei Arminia Bielefeld gibt es Erklärungen für Blinde, das sind meistens angehende Sportjournalisten, die dann das Spiel kommentieren.

Die Gerüche in der Stadt sind wie in anderen Städten, da gibt es nichts Typisches.

 

Als Blinder Fuß fassen in der sehenden Gesellschaft ist relativ schwierig. Auch in Bielefeld. Das macht mich traurig und da werde ich zum Teil auch böse auf die Gesellschaft. Wenn zum Beispiel die Firmen einfach eine Ausgleichsabgabe zahlen und dann müssen sie keine Behinderten einstellen. Da hab ich auch irgendwann keine Lust mehr, krieg Resignationen. Ich bewerbe mich, möchte gerne arbeiten. Bekomme aber keine Arbeit. Das Arbeitsamt sagt, wenn sie eine Ausbildung machen wollen, dann sehen sie zu, wie sie zurechtkommen. Melden sie sich erst mal arbeitslos, dann kriegen sie vielleicht Grundsicherung. Und wenn sie erwerbsunfähig sind, dann gehen sie in eine Werkstatt für behinderte Menschen und fristen dort ihr Dasein. Dann ruf ich bei Bethel an, sage ich bin blind und dann sagen die mir, ich sei zu selbstständig.

Meine allerliebste Arbeit wäre es, Pastor zu sein und den Menschen in schwierigen Lebenssituationen und bei Leid und Freude beizustehen, für sie da zu sein.

 

Einen großen Wunsch habe ich noch neben dem einer beruflichen Perspektive: einmal richtig Auto fahren. Hinter dem Steuer zu sitzen und das Gefühl haben, Auto zu fahren, richtig Gas geben, bremsen, alles.

 

Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft offener und sensibler wird blinden Menschen gegenüber. Erst neulich hörte ich, wie ein Jugendlicher zu seinem Kumpel sagte: Da ist ein Behinderter mit seinem Blindenhund. Ich habe da nichts drauf gesagt. Viele ältere Leute sagen auch, dass das Tierquälerei ist, einen Hund so am Geschirr zu haben. Wenn Norris was falsch macht, zum Beispiel Stuhl statt Ausgang anzeigt, weise ich ihn relativ schroff zurecht. Das muss ich, damit er es versteht, mich als Rudelführer akzeptiert. Und ich muss mich ja auf ihn verlassen können. Aber die Leute sagen dann was zu mir.

Ich als Blinder muss mich immer auf andere verlassen und ich möchte nicht mit dem Gefühl durch die Welt gehen, dass die Leute mich über den Tisch ziehen.

Ich wünsche mir, in der Gesellschaft so angenommen und respektiert und akzeptiert zu werden, wie ich bin und nicht immer ausgestoßen zu werden.

 

Und ehrlich: wäre die Möglichkeit da, für einen Tag sehen zu können, ich würde es ablehnen. Ich kenne es ja nicht anders. Und ich möchte es auch gar nicht anders.